6:03 Uhr, wir fahren fast pünktlich los. „Bye Bye Schloss. Bye Bye Schule. Bye Bye Haigerloch.“

Der Siebenjährige sagt: „ich bin traurig, dass wir jetzt so lange weg sind.“ „Aber wir kommen wieder“ sage ich.

Bevor wir auf die Autobahn fahren: Tanken. Während Laszlo bezahlt, zücke ich mein Handy und suche für die Kinder ein Lied: „I lava you.“ Laszlo kommt zurück und sagt erbost: „Die haben mich gefragt, ob ich 33 Cent für den Umweltschutz spenden will. Bei Shell! SHELL! Weißt du, was ich total überrumpelt geantwortet habe? Nicht bei Shell!“ (Laszlo sagt dazu: grundsätzlich für die Umwelt spenden: gerne. Wir beziehen unseren Strom z. B. von Greenpeace. Dieses Greenwashing ist aber keine tolle Strategie).

6:45 Uhr: Hallo Stuttgart! Hallo unser erster Stau! Laszlo zeigt nach links: „Schau mal, die Gelben Seiten auf Rädern!“ Ein Van über und über mit Werbung bedruckt. Selbst die Felgen! Wir sind fasziniert.

Wir reihen uns dann mal in den einspurigen Stau ein und rollen dem Nadelöhr entgegen.

Als der Weg wieder frei ist, erlahmt die Diskussion im Auto schlagartig. Alle sind müde. Außer Laszlo, der sich jetzt durch seine Playlist hört (gerade ist er bei Opeth).

7:30 Uhr: das erste Kind ist eingeschlafen. Ich habe eine offene Packung Blaubeeren auf dem Schoß, die Tochter mag sie nicht mehr essen. Ich weiß nicht so recht, was ich damit machen soll. Fühlt sich an wie ein Sack Flöhe. 7:47 Uhr: das zweite Kind schläft. Und wacht gleich wieder auf: Pipi.

8:14 Uhr: kurz nach der Grenze zu Bayern machen wir eine Frühstücks- und Pipipause bei McDonald’s. Nur, äh… man braucht 50-Cent-Stücke, um auf die Toilette zu gehen. Witzig, dass direkt vor der Filiale ein Plakat mit der Aufschrift hängt: „hier bargeldlos zahlen!“ Laszlo und ich sind berühmtberüchtigt dafür, so gut wie ohne Bargeld zu leben und überlegen uns gerade, wie wir das Pipiproblem lösen. Kinder können zum Glück kostenlos auf die Toilette. Laszlo kramt im Auto herum und, puh, findet 2 Fünf-Euro-Scheine. Eigentlich wollten wir ja nur eine kurze Pause machen aber hey, da ist schließlich ein Spielplatz 😂 Um 8:58 Uhr sind alle Kinder wieder im Auto und es kann weitergehen. Laszlo und ich überschlagen das Tempo, in dem wir vorwärtskommen: wenn wir Glück haben, kommen wir noch bei Tageslicht in Budapest an 😄

9:57 Uhr: Hallo uuuund tschüß München! Jetzt geht’s Richtung Passau. 10:59 Uhr: juhu, wir sind in Österreich – so ganz ohne Wartezeit und Stau. Aber äh… Vignette? Direkt nach der Grenze sehen wir gleich zwei verunfallte Autos. Das eine mit einem zerfetzten Vorderreifen. Schnell noch getankt und eine Vignette gekauft. Lászlós Kommentar: „Voller Tank, leere Blasen und Landjäger für alle!“ Es kann also weitergehen Richtung Ungarn.

13:30 Uhr: Pipipause Nr. 3 am Rastplatz Kesselhof. Der Versuch, die Kinder zu Bewegung zu motivieren, endet in einem aufgeschürften Knie. Noch knapp 300 Kilometer.

Bei Wien kommt die Frage auf: auf welchem Platz der größten Städte Europas liegt Wien? Und Budapest? Ich recherchiere und wir machen im Auto ein kleines Ratespiel: was sind die größten Städte Europas? Moskau, Paris, London – das wird genannt. Aber auf Istanbul, Sankt Petersburg und Minsk kommt niemand 😄 Wieder eine Bildungslücke geschlossen! Übrigens: Wien liegt auf Platz 11 mit 1,9 Millionen Einwohnern. Budapest auf Platz 15 mit 1,7 Millionen und, gut zu wissen, Stuttgart auf Platz 63 mit 0,635 Millionen Einwohnern.

Willkommen in Ungarn! Um 15:04 überqueren wir in Hegyeshalom die Grenze. Ich steige aus und puh: es ist so unglaublich warm. Als ob die Temperatur direkt nach dem Überqueren von der österreichischen Seite schlagartig um 10 Grad gestiegen wäre, weil: Ungarn! Ich ziehe auf dem Parkplatz in einem gewagten Kung-Fu-Move mein Kleid aus und schlüpfe in ein T-Shirt. Wir machen Pipipause Nr. 4 und essen einen sehr ungarischen Snack: paniertes Schnitzel im Brötchen (natürlich nur echt aus Weißbrot). Lecker! Dann gibt’s noch einen Nachtisch: Eis! 100 Forint pro Eis teurer als auf dem Plakat angeschrieben. Ist das ein Aufschlag für Nicht-Ungarn? Ah, ich merke, ich darf mein eingerostetes Ungarisch entrosten, kérem szépen!

Der Jüngste und das Eis schließen eine sehr enge Freundschaft, ich darf ihn auf dem Parkplatz umziehen. Er braucht jetzt sowieso eine kurze Hose. Woher kommt eigentlich diese Wärme, so plötzlich? Scheint hier die Sonne irgendwie intensiver? Ich sehe nämlich mein erstes Hitzeflimmern in diesem Sommer.

16:36 Uhr: Laszlos Playlist ist bei Belga angekommen. Intellektueller hungaro-dadaistischer Hiphop. Die Band klärt in einem Lied z. B. über Philosophie auf („Philosopher’s Delight). Meine Lieblingslieder sind „Az a baj“ und „Szerelmes vagyok“, einfach großartig! Von Belga kann man sehr facettenreich das Fluchen lernen. Was ich persönlich ja immer noch nicht wirklich kann. Zu regelmäßigem Erstaunen meiner ungarischen Gesprächspartner führt die Tatsache, dass ich ein Verb namens „baszni“ (🙈) nicht in meinem aktiven Sprachschatz führe. Das ist im Ungarischen ja der Klebstoff, der die Alltagssprache zusammenhält.

Noch 64 Kilometer, wir sind mitten im ungarischen Nirgendwo und mir fällt auf, wie gut das Internet ist! Auf der Autobahn, unterwegs mit 122 km/h. Ich habe das Buch „Keine Regeln“ über Netflix zu Ende gelesen. Ein unglaublich interessantes Buch! Es hat mir für die nächsten 5 Wochen einiges an „food for thought“ gegeben.

Wir sind kurz vor Budapest. Die letzten 100 Kilometer sind die schnellsten. Wir fliegen geradezu unserem Ziel entgegen. Um 17:30 Uhr kommen wir an und, juhu, es gibt zig Parkplätze vor dem Gebäude! Schnell das Auto auspacken und entscheiden, wer wo in den beiden Zimmern schläft. Und, unser Budapest-Ritual: Laszlo bestellt Pizza. Willkommen in Budapest ❤️🤍💚