Vor einigen Monaten ist meine Lust aufs Bloggen wieder erwacht. Und wie ich sehe, geht das nicht nur mir so: um mich herum nehme ich einen neuen Blog-Frühling wahr. Bloggen ist wieder stark im Kommen. Aber anders als früher sehe ich heute vor allem Blogs, die vom ersten Wort an als Content-Projekte konzipiert sind, mit einem ganz klaren thematischen Fokus wie z.B. digitales Nomadentum, veganer Lifestyle, Biokosmetik, Facebook-Marketing, Investieren mit Kryptos usw. In diesem Zusammenhang fallen Worte wie Expertenstatus, Redaktionsplan, Buyer Persona, Content Marketing und Content Mapping. Das Ziel ist sehr oft, ein Thema zu besetzen, das sehr umfassend und gründlich zu bearbeiten und den Lesern möglichst schnell ihre Email-Adresse zu entlocken. Was mir darüber hinaus auffällt: Blogs sind heute viel unpersönlicher als sie es früher waren, sie sind oft sehr SEO-getrieben.

Und ich glaube, das ist ein Problem.

In besonders konkurrenzintensiven Märkten reicht es nicht, Experte zu sein. Es reicht nicht, einfach nur sehr gut zu sein, sehr spitz aufgestellt zu sein oder viel Erfahrung zu haben. Es reicht nicht, täglich auf Facebook, Instagram und Co. aktiv zu sein und nützlichen Content zu veröffentlichen, in Gruppen Fragen zu beantworten und regelmäßig Expertenartikel zu bloggen.

Wenn man von Wettbewerbern umzingelt ist und wenn man das x-te Unternehmensblog zu einem Thema hat, zählt die Persönlichkeit, das Bauchgefühl, das man dem Kunden vermittelt, die eigene Sprache, der eigene Stil – oder kurz gesagt: die eigene Marke.

Und auch wenn man eine eigene Sprache und einen eigenen Schreibstil hat, bin ich der Meinung: Es reicht nicht, als Texter immer nur übers Texten, als Grafiker nur über Design oder als Facebook-Experte nur über Facebook zu bloggen – also beim Schreiben v.a. auf den Expertenstatus, Keywords, SEO und auf den möglichen Traffic zu schielen. Da ist Langeweile und ein vorzeitiges Einschlafen des Unternehmensblogs mit hoher Wahrscheinlichkeit vorprogrammiert. Denn das Schreiben solcher Expertenartikel ist oft aufwendig und rechercheintensiv. Expertenartikel sind oft lang und werden immer unter dem Aspekt der Nützlichkeit betrachtet. Besteht unser Businessblog nur aus diesem einen Contentformat, laufen wir Gefahr, dass uns irgendwann die Themen ausgehen und wir recht schnell die Lust am Schreiben verlieren.

Die harte Wahrheit ist: die wenigsten Kunden kaufen unsere Dienstleistung alleine wegen unserer Expertise. Es gibt sehr viele Texter, Designer, Kreative, Yoga-Lehrer, Coaches, PR-Berater und Experten – und nur die allerwenigsten von ihnen haben wirklich einzigartiges Spezialwissen.

Die Kunden entscheiden sich für Dienstleister, Coaches, Berater und Kreative entweder aufgrund ihrer Preise (bei günstigen Dienstleistern), aufgrund ihrer Verfügbarkeit oder aufgrund ihrer Personenmarke (der Muss-ich-haben-Effekt bei eher teuren Dienstleistern).

Je genauer ich meinen Zielkunden kannte und je mehr Persönlichkeit ich online von mir zeigte, desto besser passten die Kunden, die über meine Website bei mir anfragten, zu mir – und desto mehr verdiente ich. Ich schreibe mittlerweile nur noch für Kunden aus der Lifestyle- und Marketingbranche, die auch von der Persönlichkeit und Arbeitsweise her zu mir passen. Diese Kunden ziehst du dann automatisch an. Mein Tipp lautet daher: Trau Dich, online Du selbst zu sein und sichtbar zu werden!

(Lilli Koisser, freie Texterin aus Wien)

Die eigene Personenmarke aufzubauen, ist für jeden Dienstleister ein Garant für einen höheren Stundensatz und bessere Auslastung. Dieser Personenmarkenaufbau ist über reine Expertenartikel im Unternehmensblog allerdings nur sehr schwer zu erreichen. Gerade wenn der Kunde eine intensive Zusammenarbeit wünscht z.B. durch die Mitarbeit vor Ort oder in Form eines persönlichen Coachings, entscheidet er sich sehr oft aufgrund seines Bauchgefühls. Es muss dann menschlich passen. Der Kunde trifft seine Entscheidung emotional und deshalb, so meine Meinung, macht es für Dienstleister auch Sinn, zumindest stellenweise ebenfalls emotional zu kommunizieren und nicht nur Expertenwissen zu zeigen, sondern auch eine Persönlichkeit und Meinung – auch in Bereichen, die mit ihrem Angebot auf den ersten Blick nichts zu tun haben.

Es geht also nicht um ein Entweder-Oder (entweder Expertenartikel oder Meinungsartikel), sondern um ein Sowohl-Als-Auch. Denn ja, SEO ist wichtig, aber das ultimative Ziel sollte es sein, einen Besucher, der dich über Google gefunden hat und auf einem deiner Expertenartikel landet, mit deiner Persönlichkeit und deiner Meinung zu halten, zu begeistern und zu einem Fan von dir zu machen.

Mit diesen Formaten kannst du als Dienstleister, Coach und Kreative deine Persönlichkeit und Meinung zeigen

Die vielleicht konsequenteste Möglichkeit, Persönlichkeit zu zeigen, ist durch den eigenen Schreibstil. Persönlichkeit und Expertenartikel sind keine Gegensätze, aber wer gerade mit seinem Unternehmensblog startet, tut sich am Anfang oft schwer damit, die eigene Stimme zu finden. Das geht nur mit viel Übung. Hier deshalb eine Auflistung an Content-Formaten (neben reinen Expertenartikeln), die es dem Schreibenden einfach machen, Persönlichkeit und Meinung zu zeigen:

  • Wenn schon Expertenartikel, dann mit einer persönlichen Anekdote einsteigen und den Artikel an geeigneten Stellen mit persönlichen Erfahrungen und Meinungen untermauern (z.B. den Text mit einem persönlichen Fazit abschließen)
  • Meinungsartikel in Form einer Kolumne (sozusagen das klassische Blog: regelmäßige Artikel, die lose unter einem Dachthema zusammengefasst sind. Im Idealfall erscheint die Kolumne plusminus einmal wöchentlich)
  • Das Aufgreifen und Kommentieren von aktuellen Branchennews. Wir alle haben unsere Branche im Blick und wissen, was sich da tut. Neuigkeiten, die wir besonders interessant finden, können wir relativ einfach kommentieren: Warum ist diese Neuigkeit interessant? Welche Meinung hast du dazu? Wie stehen deine Kollegen dazu? Oft sehe ich z.B. dass Werber-Freunde von mir einfach nur Artikel auf Facebook teilen, ganz ohne Text, einfach nur ein Link. Für mich ist das eine vertane Chance der Meinungsäußerung (zudem: was soll ich da kommentieren? So kommen ja auch keine Gespräche zustande)
  • Die kritische Auseinandersetzung mit Best Practices oder Trends in der eigenen Branche
  • Persönliche Einblicke in das eigene Privatleben. Über Hobbys und Erlebnisse berichten (ggf. auch über Dinge, die auf den ersten Blick überhaupt nichts mit deinem Business zu tun haben). Also: die Person hinter der Marke zeigen
  • Die eigene Heldengeschichte: Thematisieren des eigenen Scheiterns und der Lessons Learned. Wann, warum und wie bist du in deinem Job mal so richtig derbe gescheitert? Was hast du daraus gelernt? Was machst du heute deshalb anders als früher?
  • Eigene Content-Formate entwickeln, die deine Art zu denken spiegeln (wie ich z.B. „Wort des Tages„)
  • Ein Rant – also ein Artikel über etwas, das dich fürchterlich aufregt (aber trotzdem immer professionell beiben, gelle?). In jeder Branche gibt es Aufregerthemen. Welche sind es bei dir?
  • Ein offener Brief (gerne auch an eine fiktive oder anonyme Person)
  • Persönliche Empfehlungen (Produkte, Kinofilme, Kurse usw.)
  • Persönliche Wochen-, Monats- und Jahresrückblicke

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich immer ein bisschen enttäuscht bin, wenn ich auf einer schicken Webseite lande und beim Blick auf das Blog nur SEO-getriebene Expertenartikel sehe. Vor allem ist meine Enttäuschung groß, wenn ich von einer eigentlich ganz coolen Facebook-Seite komme. Ich denke, das geht auch anders: Die vielleicht einfachsten Möglichkeiten, auf der eigenen Webseite Persönlichkeit und Meinung zu zeigen, sind der Monatsrückblick und das Kommentieren von Branchennews. Ich empfehle, einfach mal damit zu starten, also eine neue Blogkategorie anlegen (z.B. „Monatsrückblick“) und direkt im Blog-Editor Stichpunkte sammeln und den Text schreiben und speichern. Man muss ihn ja nicht gleich veröffentlichen. Ich schlafe auch (fast) immer über einen Meinungartikel.

In diesem Sinne: happy writing :-)