Diese Woche war ich bei zwei Events: bei einem Design Thinking Workshop von einem meiner festen Kunden und bei einer Ideeninfusion bei einem Neukunden. Und ich war jeweils die einzige Frau. Schon wieder. Mein Alltag als freiberufliche Werbetexterin.

Am Montag war ich an der Hochschule, meine Vorlesung halten. Da fällt mir auf: die Lehre ist, was die Geschlechter angeht, ausgewogen: ich bin zu etwa gleichen Teilen umgeben von Professorinnen und Professoren, eine Frau ist Vizepräsidentin und die Senatsmitglieder sind auch fifty-fifty Frauen und Männer. Die meisten Studierenden sind weiblich – genau so wie bei mir damals: An der Hochschule Heilbronn waren wir Anfang/Mitte der Nullerjahre 10 Studenten im Studiengang Medienmanagement, davon 9 Frauen – deshalb haben wir unseren Studiengang scherzhaft Mädchenmanagement genannt. Eine Mehrheit an weiblichen Studierenden führt auch zu einer Mehrheit an weiblichen Berufsanfänger in kreativen Berufen: Agenturen sind voller ambitionierter, talentierter und motivierter junger Frauen. Spulen wir aber 10 Jahre und/oder eine Hierarchiestufe weiter vor: da sind die Frauen schon Mangelware. Und ganz oben, in der Geschäftsführung, gibt es, wenn ich mich umschaue, eine Männerquote von fast 100 %. Tja, woran das wohl liegt…?

Jetzt höre ich schon die empörten Stimmen: Aber Frauen wollen gar nicht in die Geschäftsführung, sie lassen es lieber ruhig angehen, sie haben nicht den Ehrgeiz und wir fördern sie ja – aber sie wollen einfach nicht …! Tausend mal gehört und tausend mal muss ich sagen: das ist falsch. Ich kenne genug ambitionierte Frauen, die im Laufe ihrer Karriere aus dem Rennen um die kreativen Führungspositionen rausgekegelt und -geekelt wurden. Und das fängt nicht erst mit dem Babybauch an. Ich liebe meinen Job und ich liebe die Agenturen und Unternehmen für die ich arbeite, aber manchmal erlebe ich uncoole Dinge:

Als ich noch festangestellt war und wir ein Erotikunternehmen als Kunden hatten, hat unser Ansprechpartner auf Kundenseite gesagt, die Texte müsse ein Mann schreiben – Frauen könnten nicht für „solche“ Produkte texten.

Ebenfalls noch in meiner Festanstellung: wenn ich mit meinem Chef unterwegs war, musste ich mir mehrfach anhören, dass wir doch bestimmt eine Affäre hätten, hihi, Zwinkersmiley.

Ewig her. Neukundentermin, ich war im 5. Monat schwanger. Der Kunde (Geschäftsführer einer Agentur) sieht mich und sagt „Oh, Sie sind ja schwanger!“ Danach folgte erst die Begrüßung. Im weiteren Verlauf des Gesprächs bemühte er sich, klarzustellen, dass er nichts gegen Frauen und Kinder hätte – er hätte ja selbst zwei kleine Kinder (wer auf die wohl gerade aufgepasst hat?). Dazu sage ich nur: „Die typische Führungskraft hat zwei Kinder und trotzdem Vorurteile gegenüber Müttern im Job„. Es kam nicht zur Zusammenarbeit.

BarCamp vor vielen Jahren, ich unterhalte mich mit einem Agentur-GF und stelle mich vor. Seine Antwort: „Oh, ja, Sympatexter sagt ihm was, aber er dachte immer, Sympatexter wäre ein Mann!“

Ich war mit dem 2. Kind schwanger und gehe zu einem Brainstorming. Jemand fragt mich, wann ich denn endlich „werfen“ würde. Ich sage, dass ich das als respektlos empfinde. Die Antwort: Hey, war doch nur ein Spaß!

Ich sitze in einem Meeting, zwei Frauen und ein Mann. Der Mann fällt mir ständig ins Wort. Nach dem 5. Mal sage ich ihm klar und deutlich, er soll mich nicht ständig unterbrechen. Seine Antwort: „Jetzt werd‘ mal nicht zickig, so reden wir hier nicht miteinander!“

Aus meinen zahlreichen Kennenlernterminen habe ich eines gelernt: wenn mir ein Mann die Frage stellt, wie ich denn dieses Pensum schaffen würde (Job, anspruchsvolle Projekte, Dozentenstelle, Familie), weiß ich mittlerweile: das wird nichts mehr. Gegen die Hürde in seinem Kopf komme ich selbst mit den besten Ideen nicht an. Frauen und Mütter haben mir diese Frage noch nie gestellt. Es wird nicht ausgesprochen (die Leute sind ja nicht blöd), aber ich erlebe es selbst regelmäßig: eine Frau – und erst recht eine Mutter! – wird nicht als so kompetent, leistungsfähig, belastbar und kreativ empfunden wie ein Mann. Das äußert sich in ganz subtilen Dingen und Aussagen und natürlich auch in der Tatsache, dass Frauen und v.a. Mütter seltener befördert werden. Und wenn frau erst mal schwanger wird und ein Baby hat, machen es ihr die Arbeitszeiten in vielen Agenturen unmöglich, in die frühere Position zurückzukehren. Denn spät anfangen und lange bleiben, ist toxisch für die Familie (ich kann da mit unseren Kindergarten-Öffnungszeiten bis 14:30 Uhr echt spannende Geschichten erzählen und wie entgeistert Kunden schauen können, wenn ich ihnen einen Termin um 08:00 Uhr vorschlage). Die Teilzeitjobs sind dann oft eine massive fachliche und finanzielle Degradierung, der Anteil an administrativen Tätigkeiten nimmt zu und der an kreativen Arbeiten nimmt ab. Ab da ist an Aufstieg für die meisten Frauen nicht mehr zu denken und es beginnt das Überleben. Und dieser Überlebensmodus ist wiederum tödlich für die Kreatvität. Ein Teufelskreis.

Was ist die Lösung? Ich weiß es nicht – wahrscheinlich müssten wir an mehreren Stellschrauben drehen. Viele dieser Frauen üben sich in beruflicher Selbstverteidigung und machen sich in bzw. kurz nach der Schwangerschaft selbständig. Damit verschwinden sie dauerhaft aus den Agenturen. Ich denke, Agenturen könnten problemlos viel mehr Teilzeitstellen anbieten – und zwar auch Führungspositionen. Denn meiner Meinung nach sind in der Kreativwirtschaft die Bedingungen für Führung in Teilzeit ideal. Aber hey, warum nur Teilzeit für Mütter? Teilzeit für alle! So wie ich das sehe, würde die generelle 30-Stunden-Woche gerade in Werbe- und Onlineagenturen einen riesigen Produktivitätsschub mit sich bringen! Der Pool an Talenten, aus dem die Agenturen fischen könnten, wäre plötzlich viel größer, weil eben auch Frauen und Mütter infrage kämen, ohne dass sie sich zerreißen müssten. Und dann wären vielleicht auch mehr Frauen in Brainstormings, bei Design Thinking Workshops und in der Geschäftsführung anzutreffen. Schöne faire Welt.