Du gehörst zu einer marginalisierten Gruppe? Bist du womöglich eine Frau – und damit Teil der größten marginalisierten Gruppe der Welt? Dann heißt das Motto seit hunderten Generationen: Das Patriarchat will nicht, dass du öffentlich sichtbar wirst. Eines der wichtigsten Elemente des Patriarchats war (und ist) es, die Frau aus der sichtbaren Sphäre zu verbannen: Politisches Engagement oder die Freiheit, ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu führen, ja, sogar überhaupt studieren zu dürfen, waren lange Zeit nur Männern vorbehalten. Schon im alten Rom hatten nur Männer die vollen Bürgerrechte, Frauen durften (wie die Sklaven) nicht wählen. Der Mann als Dichter und Denker, in der Welt wirksam und angesehen, in Geschichtsbüchern verewigt. Die Frau als Managerin des Haushalts und der Kinderschar, versteckt hinter den vier Wänden und mit wenig Einfluss auf das Weltgeschehen. So ging das mehrere Jahrtausende lang. Forscher verorten die Errichtung des Patriarchats vor ungefähr 8000 bis 2600 Jahren. Damit ist das Patriarchat wahrscheinlich älter als Stonehenge (das wurde vor über 4.000 Jahren erbaut).

Auf jede Cleopatra, Hildegard von Bingen und Marie Curie kommen in den Geschichtsbüchern Pi mal Daumen hundert Männer (meine Schätzung). Als ich 1996/1997 ein Highschool-Jahr in den USA verbracht habe, kam ich mit dem Konzept Highschool-Jahrbuch in Berührung. Damals sollten alle Schülerinnen und Schüler der Freshman/Sophomore-Jahrgänge eine historische Figur als Vorbild nennen. Auf wundersame Weise wählten alle Schülerinnen entweder weibliche Figuren (da wurde es echt eng, denn so viele weibliche historische Figuren gab es nicht) oder männliche Figuren. Die männlichen Schüler hingegen wählten nur männliche historische Figuren. Ausnahmslos? Nein, nicht ganz, denn ich kann mich noch an den Aufschrei erinnern, als mein Host-Brother (also der Sohn in meiner Gastfamilie) als einziger männlicher Schüler für seinen Eintrag in das Jahrbuch eine Frau ausgewählt hat: Jeanne d’Arc.

Frauen mussten sich männliche Selbstverständlichkeiten erst mühsam erkämpfen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (gibt es dafür ein weibliches Pendant?). Und das haben sie furios, ausdauernd und oft auch todesmutig getan. Zu unserem Glück! Wir haben all den Suffragetten, „Emanzen“, feministischen Autorinnen und Akteurinnen der ersten und zweiten Frauenbewegung sehr viel zu verdanken. Dank ihnen sieht die Situation der Frauen heute ganz anders aus: Schritt für Schritt stehen Frauen heute mehr Möglichkeiten offen. Frauen dürfen u. a. studieren, sich für eine Wahl aufstellen lassen, Land kaufen, in der Bundeswehr mit einem Gewehr schießen, ein eigenes Konto eröffnen, eigenes Geld besitzen und auch nach der Geburt ihrer Kinder ihren Beruf weiter ausüben.

Die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ist im Grundgesetz festgeschrieben – ein Riesenerfolg! Und dennoch: es ist schwer, das Patriarchat aus den Köpfen der Menschen zu bekommen. Jahrtausende des systematischen Rausdrängens, intellektuellen Kleinhaltens und Unsichtbarmachens eines ganzen Geschlechts hinterlassen ihre Spuren – bei allen Menschen! Natürlich auch bei denen, die im Zeitalter von Artikel 3 des Grundgesetztes geboren wurden: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Wir sind vielleicht moderne Menschen im Zeitalter der digitalen Revolution und wir laufen hypervernetzt mit Smartphones durch die Gegend, aber wir alle tragen das Vermächtnis jahrtausendelanger Unterdrückung in uns: Die Frauen, genauso wie die Männer. Der Frauenraub, die Epigenetik und die Hexenwunde wirken weiter.

Und so kommt es, dass ich mich im Jahr 2017 gefragt habe, warum es mir so unglaublich schwerfällt, wieder mit dem Bloggen anzufangen! Ich war doch so qualifiziert, hatte beruflich große Erfolge vorzuweisen und wusste als ausgebuchte Texterin, wovon ich rede. Nur: Darüber zu schreiben, das habe ich mich nicht getraut. Was würden die anderen denken, wenn ich über dieses und jenes Thema schreiben würde? Was, wenn ich vielleicht irgendwo einen Schreibfehler machen würde – würde mich das als Texterin disqualifizieren? Bin ich denn schon qualifiziert genug, über das Texten zu bloggen oder sollte ich nicht lieber erst eine weitere Ausbildung absolvieren? Weiß ich denn schon genug? Und meine größte Angst: Was, wenn ein Shitstorm über mich hereinbricht und dann jemand an meiner Tür klopft, um mir „eine Lektion zu erteilen“?

Irgendwann wurde mir bewusst, wie schädlich meine Ängste vor meiner eigenen Sichtbarkeit sind. Wie sie mich kleinhalten und mich davor zurückhalten, sichtbar zu werden. Ich habe sie „Content-Ängst“ getauft. Als ich mich getraut habe, darüber zu schreiben, habe ich so viele Antworten und Kommentare bekommen, dass ich wusste: Ich bin mit meiner Content-Ängst nicht allein. Und ich habe mich gefragt: Ist meine Content-Ängst vielleicht gar nicht Teil meiner Persönlichkeit? Ist diese Angst vielleicht gar kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles Problem? Lange Zeit habe ich gedacht, ich sei einfach nur zu introvertiert und das sei der Grund für meine Content-Ängst. Aber dann sind auch viele extrovertierte Frauen mit Content-Ängst aufgetaucht. Das hat mich zum Nachdenken gebracht und eines Tages hatte ich einen ungeheuerlichen Verdacht …

In meiner Zeit als Dozentin habe ich eine Studie gelesen, dass Dozentinnen grundsätzlich schlechter bewertet werden als Dozenten. Die Erklärung: „Die Forscher vermuten, dass Frauen weniger Kompetenz zugesprochen wird.“. Bei Mädchen fällt mit 12 Jahren abrupt das Selbstbewusstsein ab: Sobald sie die Pubertät erreichen, tut sich ein „Confidence Gender Gap“ auf, das oft Auswirkungen auf ihr ganzes Leben hat. Wenn sich eine Frau im Internet politisch oder gar feministisch äußert, flattern oft schon bald Gewaltandrohungen (Vergewaltigung, Mord, das Töten von Familienmitgliedern – das volle Programm) ins digitale Postfach. Mir selbst wurde mal, das muss so ungefähr 2007 gewesen sein, unter einem sehr harmlosen und vollkommen unpolitischen Blogartikel kommentiert, dass der Kommentator mich gerne, mit einem Mühlstein um den Hals gebunden, in einem See versenken würde. Ich habe das bis heute nicht vergessen. Nach vielen Gesprächen mit anderen Bloggern weiß ich: Männern passiert das eher selten. Und damit meine ich: nie. Viele Männer wissen gar nicht, vor welcher Gewaltkulisse sich das tägliche Leben von vielen Frauen abspielt. Wir Frauen müssen ständig auf der Hut sein: Ganz egal, ob wir in einem schlecht beleuchteten Parkhaus parken, abends durch eine dunkle Gasse gehen, wenn wir unseren Partner verlassen wollen (das ist leider besonders tödlich) oder wenn wir eben im Internet über Themen reden, die uns wichtig sind. Diese Angst ist nicht normal. Wir haben uns aber so daran gewöhnt, dass wir es für normal halten.

Und dann gab es da noch das unfreiwillige Experiment von einer Frau und einem Mann in einem US-Unternehmen. Der Mann schrieb: „So one day I’m emailing a client back-and-forth about his resume and he is just being IMPOSSIBLE. Rude, dismissive, ignoring my questions. Telling me his methods were the industry standards (they weren’t) and I couldn’t understand the terms he used (I could) … Anyway I was getting sick of his sh** when I noticed something. Thanks to our shared inbox, I’d been signing all communications as ‚Nicole.'“ Was war passiert? Zwei Kollegen, ein Mann und eine Frau, teilten sich bei der Arbeit eine Inbox und der Mann hat von Ausversehen eine Woche lang seine Mails im Namen seiner Kollegin abgeschickt. Alles war gleich wie vorher, nur im Absender seiner Mails stand „Nicole“ statt „Martin“. Martins Fazit nach 2 weiteren Wochen des Experiments: „I wasn’t any better at the job than she was, I just had this invisible advantage.“ (Hier kannst du Martins ganze Geschichte nachlesen. Und hier sind die Lessons Learned von seiner Kollegin Nicole).

Hat hier womöglich das Patriarchat seine Finger im Spiel? Ist meine Content-Ängst vielleicht Folge meines „Confidence Gender Gaps“ und der ständigen und latenten Gewaltkulisse, vor der sich (nicht nur im Internet) für Frauen alles abspielt? Sind hier unterbewusste Muster am Werk, die dazu führen, dass sich Frauen überall dort, wo Männer dominieren, zurückhalten, um sich selbst zu schützen – also auch im Internet? Und wirken diese unbewussten Muster auch dann noch weiter, wenn eine Frau sich diesen Dämonen stellt und trotz ihrer Selbstzweifel und dieser latenten und diffusen Angst endlich sichtbar wird – indem ihre Texte negativer wahrgenommen und stärker kritisiert werden, als die von Männern? Ziehen sich viele Frauen deshalb (un)bewusst auf ihren Blogs auf unverfängliche Themen zurück, wie Do-it-yourself, Kochen, Lifestyle, Mode und Mutterschaft (alles Themen, die sich v.a. in den eigenen 4 Wänden abspielen)?

Meine persönlichen Antworten auf diese Fragen: Ja.

Ich bin der festen Überzeugung, dass alle diese Mechanismen nur ein Ziel haben: Frauen auf ihren angeblich angestammten Platz zu verweisen – und zwar den in der Unsichtbarkeit. Jetzt, da nicht mehr offizielle Gesetze die Frauen kleinhalten, tun es in Jahrhunderten einstudierte Verhaltensweisen – es sind die inoffiziellen Gesetze. Man(n) kann uns also nicht mehr offiziell die Teilhabe an der Politik, im Berufsleben oder im Studium verbieten. Aber die inoffiziellen Gesetze zeigen sich in der Blockadehaltung vieler Menschen, wenn eine Frau es wagt, „aufzumucken“. Sie zeigen sich in der gläsernen Decke im Job und in der Politik (eine Kanzlerin macht noch kein Matriarchat). Am Vorwurf, den erfolgreiche Frauen oft hören: Sie hätte sich hochgeschlafen oder sie sei doch nur eine Quotenfrau. Oder an dem großen Aufschrei, dass es doch gar keinen Gender Pay Gap gäbe und die Frauen einfach nur selbst schuld dran seien, wenn sie weniger Geld verdienten. Da werden als Gründe Dinge genannt, wie Berufswahl, Teilzeit und fehlendes Verhandlungsgeschick. Anstatt einfach mal anzuerkennen, dass es vielleicht Strukturen und verdeckte Mechanismen gibt, die zur Berufswahl, zu Teilzeit und zum fehlenden Verhandlungsgeschick von Frauen führen.

Das können, das müssen wir verändern!

Deshalb müssen wir Frauen heute bloggen! Bloggen und damit das aktive Sichtbarwerden, sind ein Akt der Emanzipation. Noch nie in der Menschheitsgeschichte war es technisch so einfach, mit unseren Gedanken, unserer persönlichen Meinung und unserem Wissen öffentlich sichtbar zu werden: Einen Blog haben wir in unter einer Stunde aufgesetzt und theoretisch kann ihn die ganze Welt lesen. Aber hey, ein Blog ist nur ein Werkzeug. Quasi ein unbeschriebenes Blatt. Die große Blog-Frage lautet: Womit wollen wir es denn füllen? Immer nur mit Rezepten und Bastel-Ideen? Mit Deko-Anleitungen, Make-Up-Tipps und dem unverfänglichen Tagebuch-Bloggen? Oder wollen wir uns weiter hinter generischen Expertenartikeln verstecken, in denen wir bloß keine Persönlichkeit zeigen, um uns ja nicht angreifbar zu machen? Wollen wir einen Großteil der Themen, die uns wirklich in den Fingern jucken, verleugnen, um nicht anzuecken?

Ich habe einen anderen Vorschlag: Lasst uns endlich sichtbar werden und mit einer riesengroßen Scheiß-drauf-Attitüde endlich alles von der Seele bloggen! Bloggen wir über Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Finanzen und Gleichberechtigung! Und zwar, ja, wirklich auf unseren Blogs und nicht nur auf Social Media, wo nach 3 Tagen alles in die Irrelevanz absickert (ich weiß, das kommt Frauen entgegen. Aber wir tun uns damit keinen Gefallen!)! Lasst uns unser Wissen, unsere Persönlichkeit, unsere Empörung und unsere Meinung in die Welt hinaustragen! Lasst uns mit dem Finger auf Missstände zeigen und aktiv daran mitwirken, sie zu beheben! Denn eine Welt, in der Frauen sich verstecken müssen und in der Missstände verschwiegen werden, war noch nie eine sichere Umgebung! Feiern wir uns, verlinken und kommentieren wir uns gegenseitig! Featuren und empfehlen wir uns gegenseitig auf Social Media, in unseren Newslettern und in unseren Blogs! Stehen wir uns gegenseitig solidarisch bei, wenn eine Bloggerin niedergemacht wird! Lasst uns mehr bloggen!

Du hast noch keinen Blog? Dann starte jetzt einen! Es ist einfach und wenn du Hilfe brauchst, frage eine Blogger:in in deinem persönlichen Umfeld!

Du hast einen Blog, schreibst aber bisher „nur“ über dein Nischenthema, wie z. B. DIY, Kochen oder Handlettering? Dann sprenge dein Themenkorsett und streue auch mal einen persönlichen Blogartikel ein! Du wirst damit zu wertvollen Gesprächen in deiner Community führen!

Du hast einen Expertenblog, versteckst dich aber gerne hinter reinen Expertenartikeln? Dann steige doch in deinen nächsten Expertenartikel mit einer persönlichen Anekdote ein oder lasse etwas Persönliches einfließen. Das wird deine Blogartikel auch gleich spannender für deine Leserschaft machen! Und wenn du den großen Sprung wagen willst: schreibe einen zünftigen Rant (= eine Schimpftirade) über einen Trend in deiner Branche, den du kritisch siehst! Trage die Themen, die dir in den Fingern kribbeln in die Welt hinaus und schreibe Meinungsartikel, Rückblicke, Rezensionen, Kommentare und persönliche Expertenartikel! Hier findest du 10 tolle Ideen für deine Blogartikel!

Blog-KPIs, schön und gut. Aber du hast nicht mal eine Idee, was du bloggen könntest? Ich habe da ein paar Vorschläge! ;-)

Lade dir hier meine 10 besten zeitlosen Ideen für deinen Blog-Redaktionsplan herunter! Diese Blogartikel verblogge ich auch selbst regelmäßig!

Du traust dich nicht zu bloggen? Das ist okay! Wie wäre es dann mit einem Kommentar? Hinterlasse heute auf zwei, drei Blogs wertschätzende und wertvolle Kommentare! Oder: Nenne und tagge eine Bloggerin auf Social Media! Teile einen anderen Blogartikel oder kommentiere unter einem ihrer Postings! Damit versüßt du einer Bloggerin den Tag und bestärkst sie in ihrem Tun.

Lasst uns starke, persönliche Blogartikel und persönlich gefärbte Expertenartikel schreiben! Mit diesem persönlichen Experten-Bloggen fängt das große Blog-Abenteuer so richtig an: Wort für Wort befreien wir uns damit von der Schere in unserem eigenen Kopf und von unseren verinnerlichten Selbstzweifeln. Wir bringen selbst große Ideen hervor und emanzipieren uns damit von der Rolle der passiven Beklatscherin fremder (männlicher?) Ideen. Mit jedem Blogartikel, mit jedem Rant, mit jeder Prognose und mit jedem Meinungsartikel, den Frauen veröffentlichen, machen sie die diskursive Blog-Bubble ein bisschen weiblicher und erobern sich (und für alle Frauen) einen Raum, der ihnen zusteht. Lasst uns die Lifestyle-Blog-Bubble aufsprengen und hören wir endlich damit auf, uns hinter aalglatten Expertenartikeln zu verstecken! Lass uns Konjunktive abstreifen! Verstecken wir uns nicht mehr hinter nichtssagenden Domains, sondern gehen wir mit unserem Namen in die Welt hinaus, auf dass alle, die sich mit unserem Thema beschäftigen, früher oder später unseren Namen kennen! Bis es kein digitales Vorbei an uns gibt! Lasst uns gegenseitig vernetzen und damit eine wichtige Grundlage für gegenseitige Unterstützung und weibliche Solidarität erschaffen. Lasst uns jetzt die Grundlage für ein Internet legen, in dem unsere Töchter keine Angst haben müssen! Und vor allem: Lasst uns außerhalb unserer vier Wände sichtbar und wirksam werden – die vielleicht größte Angst des Patriarchats!

Lehren wir das Patriarchat das Fürchten!

Es gibt viel zu tun, also bloggen wir los!