Männer, Frauen und das Onlinebusiness… Dieser Text liegt seit Monaten in meinen Entwürfen herum. Um genau zu sein: Am 15. März 2020, kurz nach dem Weltfrauentag, habe ich die erste Version dieses Blogartikels geschrieben, ihn aber nicht veröffentlicht. Ich habe mich gefragt: Kann ich das schreiben, darf ich das schreiben? Jetzt, am 16. März 2020, habe ich entschieden: Ich kann und darf das nicht nur schreiben, ich muss das schreiben.


Ich gebe Onlinekurse zu den Themen Texten, Newsletter und Bloggen. Themen, die zur Zeit boomen und die gerade viele Menschen beschäftigen. In meinen Kursen befinden sich zur Zeit (Stand: März 2020) aber nur Frauen. 0 Prozent Männerquote. Und das bei einem Thema, das überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Vielleicht ist das ja Zufall. Werfen wir deshalb einen Blick auf andere weibliche Kursveranstalter.

Ich bin gerade in SOMBA, dem Onlinebusiness-Coaching von Sigrun, einer Isländerin. Auch ihr Thema ist nicht geschlechtsspezifisch – aber in SOMBA befinden sich auch kaum Männer. Ich habe die Liste durchgescrollt und von derzeit 446 Mitgliedern sind es ca. 12 Männer. Also 2,7 %.

Ich bin in Tarzan Kays Newsletter-Kurs und in ihrer Facebook-Gruppe gibt es 18 Männer bei 454 Teilnehmern: 3,9 % Männerquote. Auf ihrer Webseite zeigt sich ebenfalls eine hohe Frauenquote: auf ihrer Work-with-me-Seite sind von 8 Testimonials 7 Frauen (das war in 2020. Heute, am 8. März 2024, hat sie auf ihrer Work-with-me-Seite ein einziges Testimonial: Einen Mann).

Und auch wenn man nur die Testimonials anschaut: Bei Marie Forleo gab es für die B-School nur weibliche Testimonials. Bei deutschen Onlinebusiness-Unternehmerinnen sind die Testimonials auch fast ausschließlich weiblich.

Ganz egal, wohin ich schaue: Bei weiblichen Onlinekurs-Veranstalterinnen gibt es einen überwältigenden Frauenanteil – obwohl die Kurse nicht spezifisch weibliche Themen behandeln (wie z. B. Schwangerschaft oder Stillen). Es geht bei diesen Kursen ums Texten, Newsletter schreiben, Launchen, Facebook Marketing, PR, Bloggen, Onlinebusiness – alles Themen, mit denen sich auch sehr viele Männer beschäftigen. Und ja, es gibt bestimmt Ausnahmen – was ich hier vorlege, ist keine wissenschaftliche Studie, sondern meine persönliche Beobachtung. Und ich habe noch keinen einzigen Kurs von einer Frau gefunden, der ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis hat.

Nur: Warum sind in den Kursen von Frauen kaum Männer?

Und: Ist das überhaupt ein Problem? Denn vielleicht sind die Männer in den Kursen von Männern – ist also alles ganz easy, oder?

Ein Blick auf die Webseite vom Online-Business-Coach Rei Baumeister: von 12 Testimonials sind 3 männlich. Wenn das ein Indikator für die Geschlechterverteilung in seinem Kurs bzw. Coaching ist, liegt die Männerquote bei ihm nur bei ca. 25 %.

Beim Schreibsuchti sind von 11 Teilnehmern eines Onlinecoachings 3 Frauen gewesen – und seiner Aussage nach entspricht das auch ungefähr der Geschlechterverteilung in seinem Onlinekurs. Also: Frauenanteil ca. 27 %.

Bei Technikmentor Frank Katzer ist die Männerquote laut Testimonials auf seiner Webseite verschwindend gering.

Bild von Frank Katzers Webseite: 8 Frauen, 1 Mann.

Kurz bei „I am not your Guru„, der Dokumentation über den Coach Tony Robbins bei Netflix reingezappt: etwa 50 % Frauenquote bei seinen Events. Ich kenne auch einige Frauen, die bei ihm im Programm sind und ein Blick in die Teilnehmerliste bestätigt das.

2 von 3 Success Stories bei Tony Robbins sind Frauen.

Das gleiche gilt für Events von Tobi Beck.

Und so weiter und so fort. Um es kurz zu machen: Ob Kurs, Programm oder Event – Männer gehen fast ausschließlich zu Männern. Frauen gehen sowohl zu Frauen als auch zu Männern und zwar (meiner Beobachtung zufolge) etwa im Verhältnis von 50:50.

Kurs, Event, Programm: Männer gehen fast nur zu Männern. Und das ist ein Riesenproblem.

Wenn Expertinnen fast nur Frauen anziehen aber Männer sowohl Männer als auch Frauen anziehen, bedeutet das: Männer sind wie Staubsauger und haben eine viel größere Zielgruppe aus der sie schöpfen können. Und zwar ist ihre Zielgruppe ungefähr zwei bis drei mal so groß wie die von Frauen.

Wenn eine Gruppe an Männern (blau) zu fast 100 % nur Kurse von Männer kauft und eine gleich große Gruppe Frauen (orange) zur Hälfte sowohl zu Männern als auch zu Frauen in Kurse geht, führt das dazu, dass Männer mit ihren Onlinekursen 3 x mehr Kunden haben und entsprechend mehr Umsatz machen als Frauen mit ihren Onlinekursen. Plusminus.


Zudem haben Frauen im Durchschnitt weniger Vermögen und ein niedrigeres Einkommen als Männer. Das bedeutet also, dass sie auch weniger Geld für solche Dinge wie Fortbildung und Kurse ausgeben können. Sehr deutlich sieht man das am Beispiel SOMBA*, dem Onlinebusiness-Coaching das ich selbst seit 2018 mitmache: Bei wirklich jedem Launch kommt das Thema auf, dass die Frauen oft erst ihre Männer bitten müssen, den Kurs für sie zu bezahlen. Oder dass sich die Frauen die Erlaubnis ihrer Partner einholen müssen. Ich weiß nicht, wie oft das andersherum geschieht…

Und das ist ein sehr großes Problem. Denn es bedeutet, dass es Frauen im Onlinebusiness sehr viel schwerer haben, mit ihren Onlinekursen erfolgreich zu sein – alleine deshalb weil sie Frauen sind und deshalb fast nur Frauen anziehen, die zudem oft weniger Geld haben als Männer.

Weibliche Kursveranstalterinnen haben zum größten Teil fast nur weibliche Kundinnen. Was ist die Ursache?

Liegt es an der Kompetenz? Sind Kurse und Programme von Frauen nicht so gut wie die von Männern? Ich glaube, ich lehne mich nicht aus dem Fenster, wenn ich sage: Nein. Es ist nicht die Kompetenz. Es ist das Geschlecht. Und damit doch auch wieder die Kompetenz. Wie meine ich das?

Bevor wir einen Kurs gekauft und einen Blick reingeworfen haben, können wir nicht wissen, ob der Kurs gut oder schlecht ist. Wenn es den Kurs schon länger gibt, haben wir vielleicht jemanden im Bekanntenkreis, der uns da weitere Infos geben kann – aber meistens sind wir auf die Testimonials angewiesen, um herauszufinden, ob der Kurs gut ist. Von außen können wir also die Qualität nur erahnen. Es kann also nicht an der Qualität liegen, dass Männer nicht zu Frauen in Kurse gehen.

Meine Vermutung: Männer fühlen sich unbewusst oft nicht angesprochen, wenn eine Frau das Aushängeschild von einem Onlinekurs oder -Programm ist – völlig unabhängig von der Kompetenz, die die Frau hat. Sie denken oft: Oh, das ist nichts für mich. Oder sie denken sogar, sie seien nicht erwünscht oder dass der Kurs sogar explizit nur für Frauen sei. Dafür braucht es keine geschwungene rosa Handschrift auf der Salespage (was ja als „typisch weiblich“ angesehen wird) oder die konkrete Ansprache von Frauen (z. B. durch die Nutzung des generischen Femininums, bei der sich Männer mitgemeint fühlen dürfen). Ich beziehe mich hier auf Kurse, die neutral kommuniziert werden. Wie z. B. der Story-Gold-Workshop von Marike Frick: Die Ansprache war komplett geschlechtsneutral und trotzdem waren fast nur Frauen bei ihrem Event (siehe Video).

Es scheint also, dass Frauen vollkommen unabhängig von ihren Botschaften fast nur Frauen ansprechen. Und ich glaube, das ist das Symptom unserer sexistischen Kultur.
Frauen höhere geistige Fähigkeiten abzusprechen, hat eine lange Tradition. Es brauchte ja irgendeinen Grund, um ihren jahrhundertelangen Ausschluss z. B. von Universitäten, politischen Ämtern und Wahlurnen zu rechtfertigen. Philosophen wie Michel Montaigne haben der Frau sogar die geistige Fähigkeit abgesprochen, Freundschaften eingehen zu können – denn die Frau sei den Anforderungen an die geistigen Kommunikationsfähigkeiten, die für eine Freundschaft notwendig sind, nicht gewachsen. Die Frau, das unvollkommene Wesen, das andere Geschlecht. Hach, wir (Frauen) kennen das alle.

Es ist ein tief verwurzeltes patriarchalisches Märchen, dass Frauen nicht so kompetent seien wie Männer. Das sagt heute natürlich kaum jemand so klar, das Problem ist und wirkt aber nach wie vor unterschwellig. Im Artikel Die subtile Inkompetenz von Frauen wird z. B. eine Studie zitiert bei der Lebensläufe sich nur im Namen der Bewerber unterscheiden. Keine große Überraschung: Die Bewerbungen mit männlichen Namen wurden durchweg als positiver wahrgenommen, die Bewerber als kompetenter. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Studie besagt: Nicht nur Männer schätzen Frauen als inkompetenter ein – auch Frauen tun das! Wir sind alle zu einem gewissen Grad sexistisch! Das erklärt vielleicht, warum auch viele Frauen nicht in Kurse gehen, die von Frauen gemacht werden.

Ein interessantes Beispiel dafür ist die Geschichte von zwei Kollegen, einer Frau und einem Mann in einem US-Unternehmen. Der Mann, Martin, hat sich dann gewundert, warum ein Kunde sich ihm gegenüber plötzlich so abweisend und unhöflich benahm. Bis er festgestellt hat: Er hat seine Absender-E-Mail-Adresse mit der seiner Kollegin Nicole vertauscht! Aus dem Versehen haben die beiden dann ein einwöchiges Experiment gemacht. Das Ergebnis: Martin hat festgestellt, wie krass ihn die Leute (Männer wie Frauen) behandeln, weil sie davon ausgingen, er sei eine Frau. Nicole hingegen hatte eine der einfachsten Wochen ihres Berufslebens. Sie hat ihre Erlebnisse hier zusammengefasst.

Kurz nachdem ich Dozentin an der HfK wurde, habe ich einen Artikel gelesen, in dem stand, dass Studierende männliche Dozenten grundsätzlich als kompetenter empfinden als Dozentinnen (ich finde gerade den Link nicht). Na toll, habe ich mir gedacht.

Frauen müssen sich in unserer Kultur entscheiden, ob sie als kompetent oder als sympathisch wahrgenommen werden wollen. Männer stehen nicht vor dieser Wahl. Wir brauchen aber beides, um Erfolg zu haben. Und sowieso: Frauen mit Humor wirken inkompetenter, bei Männern gilt das Gegenteil. Ein Hoch auf meine Worte des Tages!

„Aber ich bin eine Frau und meine Kunden sind vor allem männlich!“

Die Aussagen, die ich in diesem Blogartikel treffe, beziehen sich auf Onlinekurse und Onlineprogramme – und explizit nicht auf Coachings oder z. B. Dienstleistungen wie Design oder Beratung. Denn ich sehe einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen Kursen/Programmen/Events und Coachings/Dienstleistungen: Ersteres ist 1:many und letzteres ist 1:1. Und das macht den Unterschied für viele Männer.

Bei Events und Programmen (und teilweise auch in Onlinekursen) sehen sich die Teilnehmer gegenseitig und damit sind die Teilnehmer zu einem gewissen Grad öffentlich. Coachings und Dienstleistungen hingegen finden oft unter 4 Augen, statt. In dieser privaten Konstellationen haben viele Männer kein Problem damit, mit einer Frau zusammenzuarbeiten – solange eben nach außen hin nicht sichtbar ist, dass sie sich von einer Frau Unterstützung holen. Ich selbst bemerke das z. B. daran, dass mir bisher noch kein einziger Mann ein Testimonial für meine Ideen-Infusion gegeben hat. In einem Kurs fühlen sich viele Männer offenbar unwohl damit, in der Minderheit zu sein. Frauen sind es heute eher gewohnt, zwischen den Geschlechterwelten zu wandeln und erhalten oft Anerkennung dafür, in einem männerdominierten Umfeld zu sein. Männer hingegen erfahren in einem frauendominierten Umfeld oft eine Abwertung, z. B. als Erzieher und Pfleger – und womöglich auch in einem Onlineprogramm? Vielen Männern fehlt das Selbstbewusstsein, sich dieser potentiellen Abwertung auszusetzen.

Schade.

Dieses Live-Video habe ich am 8. März 2020 aufgenommen, am Weltfrauentag. Hier hat mich das Thema schon sehr (diplomatisch ausgedrückt) beschäftigt:

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Also, was tun? Wie kommen mehr Männer (und Frauen) in Kurse, die von Frauen gemacht werden?

Zunächst einmal: Frau muss das ja auch erst mal wollen. Es gibt Unternehmerinnen, die bewusst nur Frauen ansprechen. Das ist vollkommen in Ordnung. Es gibt aber auch viele Unternehmerinnen, die gerne eine breitere Zielgruppe – unabhängig vom Geschlecht – hätten.
In diesem Sinne: Wie schaffen wir es, die Geschlechtergrenze im Onlinebusiness aufzubrechen und mehr Männer dazu zu motivieren, Kurse von Frauen zu buchen? Gute Frage. Ich habe mich das auch gefragt.

Deshalb habe ich im Frühling 2020 die Tatsache, dass keine Männer in meinem Kurs sind und wie ich das ändern könnte, in meinem onlinebusiness-geneigten Umfeld angesprochen. Die Reaktionen waren sehr interessant: Sowohl die Männer als auch die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, haben mir geraten, meine Texte zu überprüfen. Ich sollte abchecken, ob ich nicht womöglich „zu weiblich“ kommuniziere. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das geradezu als Beleidigung empfand, denn ich schreibe Texte – keine Frauentexte. Mein Angebot oder Design ist nicht geschlechtsspezifisch und meine Expertenartikel richten sich ebenfalls nicht an ein bestimmtes Geschlecht. Ich vermute ja eher, dass alleine schon die Tatsache, dass ich eine Frau bin, für viele Menschen schon eine „zu weibliche Kommunikation“ ist. Meine GesprächspartnerInnen haben das alle ausnahmslos energisch verneint.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und wählt oft den Weg des geringsten Widerstands bei zugleich höchster Erfolgsaussicht – und das bieten in unserer Kultur eben, so wird es uns gelehrt, Männer. Ich glaube, ein wichtiger Schritt ist, das überhaupt einmal zu erkennen. Also, dass wir alle unbewusst Frauen und Männer unterschiedlich bewerten und dass diese „unconscious biases„, also unsere unbewussten Vorurteile, große Auswirkungen auf unsere Sympathien und Kaufentscheidungen haben.

Der nächste Schritt könnte sein, in den Texten die Männer ausdrücklich auch zu nennen und die Auswahl der Testimonials ausgeglichener zu machen, so wie das z. B. Marike Frick bei ihrem Onlinekurs „Mein erster PR-Erfolg“ macht (das war 2020, leider habe ich keinen Screenshot mehr von damals): Von 5 Testimonials sind 2 männlich – also eine Männerquote von 40 %. Desweiteren könnten womöglich mehr Bilder mit Männern einen positiven Effekt haben (also z. B. ein Foto von mir in einer Arbeitssituation mit Laszlo auf meiner Web- bzw. Angebotsseite). Das sehe ich z. B. bei Marie Forleo: Sie hat mittlerweile ihre Startseite verändert und jetzt sind mehr Männer dort zu sehen wie z. B. Richard Branson und Tony Robbins. So könnten sich auch Männer stärker von ihrem Angebot angesprochener fühlen. Denn ich glaube, dass Männer bei öffentlichen Events, Kursen und Programmen dorthin gehen, wo bereits schon andere Männer sind und dass ab einer gewissen Männerquote eine Sogwirkung stattfindet.

Aber, ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob das alles wirklich hilft.

Vielleicht bringt uns Frauen nur eines voran: Unseren Blog und unser Onlinebusiness zu starten und trotz der unterschwelligen Widerstände so sichtbar und groß zu werden, dass es schlicht und ergreifend keinen Weg mehr an uns vorbei gibt. Zu der Go-To-Person für unser Thema zu werden. Mit unserem Wissen in den Markt zu gehen und nicht nur sichtbar, sondern zur unübersehbaren Koryphäe auf unserem Gebiet zu werden. Uns unsere Karriere mit unserer Selbständigkeit selber bauen und den Raum und die Führungsrolle einzunehmen, vor der wir anfangs womöglich zurückschrecken. Unser Netzwerk ausbauen und uns gegenseitig aktiv dabei unterstützen, erfolgreicher zu werden. Gleichgesinnte Frauen und männliche Verbündete um uns scharen. Unser Onlinebusiness nicht nur als unsere persönliche Angelegenheit ansehen, sondern das große Ganze erkennen:

Dass wir uns mit unserem Streben nach Erfolg auch für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, von der unsere Kinder und alle nachfolgenden Generationen profitieren werden.