Am 29. Februar haben wir noch entspannt den 76. Geburtstag meines Vaters gefeiert. Damals war das Thema Corona schon präsent. Meine Mutter hat z. B. einige Familienmitglieder von der Feier ausgeladen, weil sie nach dem Skiurlaub in *hust* Tirol krank wurden. Ob das schon Corona war, wissen wir nicht. Da hat das Leerfegen der Regale bei Aldi, Lidl, Edeka & Co. schon angefangen – aber da ging es noch eher um Nudeln und Hefe. In den nächsten Tagen sollte ich die ganze Situation weiter zuspitzen – bis zum vorläufigen Höhepunkt am (ausgerechnet!) Freitag, den 13. März.
01. März 2020: Ich habe nach dem Geburtstag mit den Kids bei meinen Eltern übernachtet. Der Sonntag startet lässig, indem ich meine Flugtickets nach Rejkjavik buche. Das Event, zu dem ich will, der Selfmade Summit, ist ja erst im Sommer. Bis dahin wird diese Corona-Sache schon ausgestanden sein, denke ich mir. Nach dem Mittagessen packe ich die beiden großen Kinder ein und fahre mit ihnen zum Kino, Frozen II anschauen. Nur eine andere Mutter mit ihrer Tochter gesellt sich zu uns in den Kinosaal. Ich denke mir: Ok, der Film läuft zwar schon seit ein paar Wochen in den Kinos, aber dass es sooo leer ist…?

Anfang März: Ich sitze am Thema Angebotsseite dran. Das ist ein großes Modul innerhalb meines Onlinekurses zum Thema Webseite. Ich habe Wochen gebraucht, um hier alles zu strukturieren und eine Lösung für ein großes Problem zu finden: wie stelle ich das Thema Angebotsseite dar, wenn es so unglaublich viele verschiedene Arten von Angebotsseiten gibt? Bei einem ersten Aufzählen bin ich auf 11 verschiedene Arten gekommen: vom Freebie bis zum Onlinekurs. Und die brauchen alle z. T. unterschiedliche Inhalte.

07. März 2020: Wir fangen mit der Renovierung des Hauses an. Bevor wir richtig loslegen können, muss erst einiges raus. Und zwar die alte Küche. Hier soll ein Kinderzimmer entstehen. Wir haben ein paar Tage vorher die Küche inkl. Backofen und Kühlschrank bei eBay Kleinanzeigen inseriert. Am 07. März holt eine ungarischsprechende Mutter (echt, das war reiner Zufall!) mit ihrem Handwerker-Bekannten alles ab. Als nächstes wollen wir die Fliesen von den Wänden schlagen und den PVC-Boden rausreißen – in der Hoffnung, dass sich darunter, wie in den anderen Zimmern, ein alter Dielenboden befindet, den wir dann einfach abschleifen und benutzen können. Sicherheitshalber mache ich mich auf YouTube mit dem Thema Trockenestrich vertraut.

Am gleichen Abend fahre ich wieder zu meinen Eltern, der Dreijährige vermisst seine Großeltern. Ich übernachte wieder bei ihnen und gehe am nächsten Tag mit den Kids und meinen Eltern in den Garten in Stuttgart Sillenbuch. Vor der Heimfahrt machen wir noch einen Abstecher nach Birkach, in die frühere Grundschule der Ältesten und um den Mittleren von seinem besten Freund abzuholen.

Mittwoch, 11. März 2020: Ich fahre nach Stuttgart zu meinem wöchentlichen Freelance-Job. Ich hirne gerade über einer Landingpage, als ich die Nachricht bekomme, dass Sigrun ihren Selfmade Summit wegen Corona verschiebt. Auf 2021. Das ist der erste Moment, in dem ich das Gefühl habe, dass Corona ganz nah an mir dran ist und mich wirklich persönlich betrifft. Ich google zum ersten mal „Eurowings Flug stornieren“.
Freitag, 13. März 2020: Es ist ein strahlend schöner Frühlingstag. Ich sitze mit meiner Tochter beim Kieferorthopäden, als ich erfahre, dass ab kommendem Dienstag die Schulen und Kindergärten bis auf Weiteres schließen werden.Neben dieser Botschaft kündigt mir auch noch ein Neukunde sehr unwirsch die frische Zusammenarbeit. Mein Verdacht: das ist eine Corona-bedingte Absage. Laszlo und ich beraten uns: wie werden wir die nächsten Wochen arbeiten? Denn im April steht ja auch noch unser nächster Launch an.
Sonntag, 15. März 2020: Wir fahren nach Empfingen zum Seespielplatz. Wir wissen noch nicht, dass das unser letzter Ausflug zu einem Spielplatz auf unbestimmte Zeit sein würde.

Montag, 16. März 2020: Baden-Württemberg erlässt die Corona-Verordnung. Die Schulen sind bis zum 19. April 2020 geschlossen. Alle Läden, Hotels, Restaurants, Schwimmbäder u. ä. sind sogar bis zum 15. Juni geschlossen. In meinem Bekanntenkreis, der zum großen Teil aus Selbständigen besteht, regt sich eine gewisse Unruhe. Ich fühle mich zurückerinnert an meine Zeit als Ang(st)gestellte. Denn in 2009 wurde ich im Zuge der Wirtschaftskrise arbeitslos weil die Agentur, bei der ich damals gearbeitet habe, mehrere Kunden verloren hat und pleite ging. Klar, rückblickend war das der Start in meine Selbständigkeit und gut für mich – aber mittendrin war das eine ziemlich ungeile Zeit. Mit meinem Wissen von heute sehe ich die Situation entspannter. Aber: Meine Lebensrealität hat sich seit 2009 dramatisch verändert. Damals war ich nur für mich selbst verantwortlich und habe in einer sehr günstigen Mietwohnung in Stuttgart Mitte gewohnt. Heute habe ich drei Kinder, mein Mann ist mein Angestellter und wir zahlen das Haus ab, das wir seit September 2019 bewohnen. Meine Fixkosten und monatlichen Ausgaben sind viel höher als vor 10 Jahren. Laszlo und ich checken unsere Finanzen und überlegen, wie wir unsere Liquidität verbessern können.
Ich starte #Quarantexte, eine 5-Wochen-Blog-Challenge in meiner Facebook-Gruppe. Denn ich bin der Meinung: Wir sollten diese Zeit dokumentieren – auf unseren eigenen Webseiten.

Dienstag, 17. März 2020: Meine Mastermindkollegin Anke und ich sagen EPIC ab. Dieses Event sollte am 01./02. Mai 2020 auf Schloss Haigerloch stattfinden. Stattdessen digitalisieren wir es: Epic wird Teil des 2. Trimesters der Sympatexter Academy.
Die erste Homeschooling-Woche startet.
Mittwoch, 18. März 2020: Trotz des Lockdowns findet ein Kolloquium an der Hochschule in Stuttgart statt. Ich bin not amused. Um nicht mit der U-Bahn fahren zu müssen, fahre ich komplett mit dem Auto von Haigerloch zur Hochschule. Im Sekretariat diskutiere ich mit den Anwesenden über diese absurde Situation – bis ich merke, dass meine Argumente die falschen treffen. Klar, könnte man ein Kolloquium leicht digitalisieren. Ich nutze Zoom schließlich schon seit Jahren. Aber was, wenn nicht jeder einen Laptop oder Internet zuhause hat? Diese Möglichkeit kam mir gar nicht in den Sinn und mir wird schlagartig klar: ich bin schon sehr privilegiert und vielleicht war das ein Anflug von Vernunftpanik: „der öffentliche Furor, dass andere Menschen weniger vernünftig handeln als man selbst.“ In den nächsten Tagen bin ich sehr sensibel auf diese Thema. Jedesmal wenn jemand #staythefuckhome benutzt, frage ich mich: und was ist mit den Kassiererinnen, Ärzten oder mit den Postboten, die den Fuckinghomestayern die bequem bestellten Pakete bringen?

Freitag, 20. März 2020: Unsere Katze wird kastriert. Findet sie gar nicht cool.

Montag, 22. März 2020: Fast Action Texter startet. Mein neuer Kurs, den ich am vergangenen Donnerstag spontan entwickelt und gelauncht habe, damit ich schon vor dem nächsten Start der Sympatexter Academy Unternehmer dabei begleiten kann, ihre Webseitentexe zu schreiben. In einer Nacht habe ich die Salespage erstellt, das Produkt in Digistore angelegt und ein Webinar erstellt. Ich hatte wegen unsere EPIC Launches sowieso schon für einen Monat das Webinar-Paket von Zoom gebucht. Und da habe ich mir gedacht: Gebe ich einfach ein anderes Webinar, damit diese Investition nicht umsonst war.

Spazierengehen fühlt sich seltsam an. Kaum ein Auto ist unterwegs. Unsere Kinder sind – neben der Natur – die einzige Geräuschquelle. Die wenigen Menschen, die uns begegnen, spazieren auf der Straße umher. Wir erobern uns den öffentlichen Raum zurück. Das Nörgeln der Kids vor der Pizzeria („Ein Eis, biiiiitte!!“) bringt nichts, denn die Pizzeria ist geschlossen. Es ist ruhig und sehr entspannt. Und es gefällt mir.
Dienstag, 24. März 2020: Wir fangen an, Star Wars zu schauen. Seit ein paar Tagen sind wir, Laszlo sei Dank, Kunden beim neuen Streaming-Anbieter Disney+. Ich stelle fest, dass mir die Story viel zu kompliziert ist. Wer ist gegen wen verfeindet, und warum? Wer ist warum auf welchem Planeten? Sobald ein Laserschwert durch das Bild summt, ist alles egal.

Mittwoch, 25. März 2020: Baden-Württemberg startet das Soforthilfeprogramm Corona für Selbständige. Laszlo und ich beraten uns: Sollen wir es in Anspruch nehmen? In den nächsten Tagen informieren wir uns und telefonieren mit unserer Steuerberaterin. Wir tendieren dazu, es nicht in Anspruch zu nehmen. Währenddessen teilt sich mein Umfeld in drei Lager auf: Die einen, die die Hilfe sofort in Anspruch nehmen und auch ohne finanzielle Engpässe lockerflockig die Anträge stellen – leicht verdientes Geld! Der klassische Mitnahmeeffekt. Dann die zweite Gruppe, die diese Mentalität anprangert. Und last but not least die dritte Gruppe, die den Antrag nach sorgfältigem Abwägen und wegen einem wirklich drohenden Engpass stellt. Mein Gerechtigkeitesempfinden ist zur Zeit schwer strapaziert. Ich frage mich: Warum nicht ein universelles Grundeinkommen einführen? Vielleicht bis zum Herbst? Oder bis zum Ende des Jahres? Aber ich fürchte, dass es für diese Diskussion in Deutschland noch zu früh ist.
Ich fange mit dem Joggen an, denn mir droht, die Decke auf den Kopf zu fallen. Meine Joggingstrecke führt nach wenigen Metern die Stufen zum Schloss Haigerloch hoch. 70 Höhenmeter innerhalb des ersten Kilometers. Beim ersten Hochlaufen denke ich, ich falle gleich um und brauche 9:05 Minuten pro Kilometer. Schon beim nächsten Lauf, ein paar Tage danach, liegt meine Durchschnittsgeschwindigkeit bei 8:18 Minuten/km. Ein Hoch auf meine Lauf-App!

Donnerstag, 26. März: Ich verlasse die WhatsApp-Gruppe meiner Familie. Denn da werden für meinen Geschmack zu viele seltsame Videos und Nachrichten geteilt. Ich bin ohnehin schon seit Anfang des Jahres auf einer selbstverordneten Nachrichten-Diät weil ich einfach feststelle, dass mir das überhaupt nicht gut tut. Und das ständige Gepiepe diverser WhatsApp-Gruppen stresst mich zusätzlich. Ich weiß, dass man das alles ausstellen kann, aber noch entspannter finde ich es, überhaupt nicht Teil von WhatsApp-Gruppen zu sein. So halte ich mich seit Jahren von jeglichen Kindergarten- bzw. Eltern-WhatsApp-Gruppen fern.
Wir schauen Frozen I auf Disney+. Ich mag diesen Film sehr, zur Freude meiner Tochter. Abends hören wir jetzt zum Einschlafen immer den Soundtrack von Frozen II. Meine Tochter freut sich schon auf den 24. Juli 2020. Denn da kommt Frozen II zu Disney+. The Power of Vorfreude – das ist etwas, das ich an Kindern sehr bewundere.

Samstag, 28. März 2020: Immer noch kein Klopapier beim Lidl. Unsere Vorräte neigen sich dem Ende entgegen. Selbst die Servietten und Taschentücher sind ausverkauft. Müllsäcke finden wir auch keine mehr. Hätten wir doch mal gehortet…

Das Homeschooling hat sich eingependelt. Während ich Webinare schaue, blogge oder arbeite, erledigt unsere Zweitklässlerin ihre Hausaufgaben neben mir am gleichen Tisch. Mit Mathe funktioniert das besser als mit Deutsch.

Sonntag, 29. März 2020: Weil mir das mit den Deutsch-Hausaufgaben für meine Tochter zu blöd ist, schlage ich ihr vor, ein Tagebuch zu führen. Sie ist sofort begeistert. Ich suche ein schönes Notizbuch und finde ein Geschenk von einer Teilnehmerin der Sympatexter Academy. Auf dem Titel des Notizbuchs steht „Yes Girl Yes“. Meine Tochter liebt das Notizbuch jetzt schon. Fein säuberlich schreibt (und malt!) sie die Erlebnisse der einzelnen Tage in ihr Notizbuch. Ich hoffe, dass sie auf diese Weise dem Schreiben und Lesen näherkommt als mit irgendwelchen Hausaufgaben, die ich persönlich nicht so wirklich motivierend finde. Ihre Mutter ist schließlich Texterin, das verpflichtet ;-)

Montag, 30. März 2020: Unser Mieter kündigt seine Wohnung, weil er woanders einen neuen Job gefunden hat. Ende Juni 2020 ist er raus. Das bedeutet für uns: jetzt müssen wir uns in der CoronÄra auch noch um eine neue Vermietung kümmern. Laszlo stellt die Wohnungsanzeige vom letzten Herbst gleich bei ImmobilienScout24 rein. Es dauert nicht lange, bis sich die ersten Interessenten melden. Aber schon vom letzten Mal wissen wir: Interessen kommen und gehen, was wirklich zählt, ist die Unterschrift unter dem Mietvertrag.
Dienstag, 31. März 2020: Wir gewöhnen uns langsam an diesen Ausnahmezustand. Wir denken uns: Gut, dass wir Ende 2019 umgezogen sind in ein Haus mit zwei Stockwerken und einem Garten. Es hat große Vorteile, wenn man sich aus dem Weg gehen kann, ohne das Haus verlassen zu müssen. Wir leben von Tag zu Tag, bis die Tage ineinander fließen. Es fühlt sich ein bisschen wie Ferien an, weil die äußere Struktur weggebrochen ist: Keine Schule, kein Freelancing vor Ort, kein Kindergarten. Und doch will keine Urlaubsstimmung aufkommen, denn, klar, die Verantwortung und die Frage, wie es weitergeht, wiegen schwer. Alleine schon die Frage nach der Schule: Werden jetzt alle Kinder kollektiv ein Schuljahr nachholen? Quasi sitzenbleiben? Oder einfach versetzt? Zum Glück ist unsere Tochter erst in der 2. Klasse. In der 4. oder Abschlussklasse haben die Kinder und Eltern bestimmt größerer Sorgen. Und dennoch: Ist das ein verlorenes Schuljahr?